Wenn wir unter chronischem Stress leiden, führt dies oft zu gravierenden somatischen und psychischen Symptomen und das Funktionsniveau der Betroffenen wird enorm herabgesetzt. So bestehen unter anderem enge Zusammenhänge zu depressiven Krankheitsbildern (Weber & Jaekel-Reinhard, 2000), Schlafstörungen (Hapke et al., 2013), Übergewicht, Diabetes II (Kyrou et al., 2000) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Strike & Steptoe, 2004).

In den meisten Fällen sind die Folgen von Stress reversibel, wenn ausreichend Erholungszeit und die nötigen Ressourcen vorhanden sind. Bei chronischem Stress kann es jedoch auch dazu kommen, dass die Betroffenen in einen absoluten und andauernden Erschöpfungszustand verfallen, in welchem sie sich nur noch „ausgebrannt“, energielos und überfordert fühlen. Sie scheinen unter den auf sie einwirkenden Stressoren buchstäblich zusammenbrechen. Die Fähigkeit, sich vom Stress zu erholen scheint bei den Betroffenen verloren zu gehen. Dann wird von einem Burnout („Ausgebranntsein“) gesprochen.

Wenngleich das Wort „Burnout“ in den letzten Jahrzehnten allgegenwärtig geworden ist, handelt es sich nicht um eine psychiatrische oder medizinisch feststehende Diagnose. Im Klassifikationssystem ICD-10 (World Health Organization, 1992) ist es lediglich als Zusatzdiagnose aufgeführt. Daher wählen viele Autor*innen den Begriff des Burnout-Syndroms, womit das gemeinsame Auftreten verschiedener Symptome gemeint ist.

Insbesondere bestehen Überlappungen zur depressiven Symptomatik und psychosomatischen Krankheitsbildern. Daraus resultiert, dass die meisten Betroffenen nicht mit der Vermutung eines Burnouts professionelle Hilfe suchen, sondern in den meisten Fällen wegen körperlicher Beschwerden Hilfe in Anspruch nehmen. Häufig werden dann die somatischen Beschwerden zwar symptomatisch behandelt, das zugrundeliegende Problem des permanenten Erschöpfungszustands bleibt jedoch bestehen. Menschen, die unter einem Burnout-Syndrom leiden, erfahren daher leider oft erst spät professionelle Unterstützung oder das Syndrom bleibt gar komplett unerkannt.

Da es bislang keine einheitliche Möglichkeit zur „Diagnose“ des Burnout-Syndroms gibt, tut sich die Forschung schwer damit, Prävalenzen festzustellen. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass ca. 12,5% (Kaschka et al., 2011) der Arbeitnehmer*innen sich in ihrem Job überfordert fühlen, ca. 30% der Lehrkräfte (Schweuch, 1993) und des Pflegepersonals (RN4Cast-Studie; rme/aerzteblatt, 2012) die Kriterien eines Burnouts erfüllen, und jeder fünfte Befragte bestätigte, dass Stress ihn schon einmal krank gemacht habe (TK-Studie, 2016) erhält man einen kleinen Eindruck der Größenordnung zur Verbreitung von Burnout.

Menschen, die Symptome eines Burnouts aufweisen, sind weiterhin von einem höheren Risiko betroffen, körperliche oder psychische Erkrankungen auszubilden (Berger et al., 2012). So steigt das Risiko der Entwicklung einer Depression bei Burnout-Betroffenen um bis zu 46fach an (Wurm et al., 2016) und körperliche Krankheiten werden begünstigt (Mommersteeg et al., 2006).

Woran erkenne ich, dass ich an einem Burnout-Syndrom leiden könnte?

Es wurden verschiedene Konzeptualisierungen des Burnout-Syndroms entwickelt. Die meist verwendeten Symptome wurden von Maslach und Jackson (1981) beschrieben. Diese sind:

1) emotionale Erschöpfung, 2) Depersonalisierung (also die Schwierigkeit, sich mit anderen Menschen zu identifizieren und soziale Kontakte aufrechtzuerhalten) und 3) verminderte persönliche Leistungsfähigkeit, während emotionale Erschöpfung oft als das Leitsymptom definiert wird (z.B. Schwarzer & Hallum, 2008). In etwas vereinfachten Worten ergeben sich also die folgenden Symptome, die auf einen Burnout hinweisen (Vgl. Kaluza, 1996):

  1. Körperliche Symptome (z.B. Schwächegefühl, Schlafstörungen, chronische Müdigkeit)
  2. Emotionale Symptome (z.B. Überdrussgefühl, Niedergeschlagenheit, Gefühlslosigkeit)
  3. geistig-mentale Symptome (z.B. Konzentrationsprobleme, negative Einstellungen, Zynismus)
  4. Soziale Symptome (z.B. Wahrnehmung anderer Menschen als Belastung, Empathieverlust, sozialer Rückzug)

Es sollte jedoch unterstrichen werden, dass diese Symptome unspezifisch sind und auch Indikatoren für andere psychische oder körperliche Krankheitsbilder sein können. In anstrengenden Lebensphasen können sie mitunter ganz ohne klinische Implikationen auftauchen. Es sollte daher unbedingt auch auf die zeitliche Komponente geachtet werden: Halten die oben genannten Symptome über mehrere Monate an oder nehmen sogar zu, sollten Sie diese Beobachtung dringend mit Ihrem Hausarzt/Ihrer Hausärztin teilen oder sich direkt von einem Psychologen/ einer Psychologin beraten lassen. Es gibt effektive psychotherapeutische Programme und Interventionen, um den Teufelskreis der Erschöpfung bei Burnout zu durchbrechen. Je schneller Sie die Symptome erkennen und sich Unterstützung suchen, desto wahrscheinlicher wird es, dass Ihnen schnell und effektiv geholfen werden kann.

Wie können wir chronischem Stress und Burnout vorbeugen?

Wie so vieles im Leben, entsteht ein Burnout nicht von heute auf morgen. Oft handelt es sich um einen schleichenden, sich zuspitzenden Prozess, den viele Betroffene unter anderem deshalb „aussitzen“, weil sich die Erschöpfung meist graduell anstaut, als plötzlich aufzutauchen. Die eher schleichende Entstehung eröffnet Handlungsspielräume, z.B. durch den Einsatz psychotherapeutischer Ansätze, um konstruktiver mit Stress umzugehen und das eigene Stresslevel wieder auf ein angemessenes Maß herunter zu regulieren.

Besonders in Deutschland neigen die Menschen dazu, Stress mit der Einstellung „Augen zu und durch“ zu begegnen (TK-Studie, 2016). Jede*r fünfte Befragte gab als Bewältigungsstrategie an, sich zurückzuziehen und den Stress zu vermeiden, mehr als die Hälfte zählte nach eigenen Angaben zu den „Durchhaltern“, die keine speziellen Strategien anwandten, sondern lieber abwarteten, bis sich die Lage von selbst beruhigte.

Wenngleich diese Strategien für einige Menschen zu funktionieren scheinen, sind sie aus psychologischer Sicht als problematisch einzuordnen. Sie können langfristig zu einem maladaptiven Umgang mit Stress führen und Selbstfürsorge verringern, was mitunter zu einer allgemeinen Verschlechterung der psychischen und physischen Gesundheit führen kann. Daher lohnt es sich immer, sich mit konstruktiven Strategien zum Stressmanagement auseinanderzusetzen, auch wenn eine kurzfristig funktionierende Strategie wie das „Durchhalten“ bereits vorhanden ist. Ansatzpunkte zum Stressmanagement stammen aus verschiedensten Richtungen der Psychotherapie und fokussieren verschiedene Schwerpunkte. Letztlich teilt ein Großteil der Interventionen jedoch folgende Inhalte (z.B. Kaluza, 1996):

  1. Instrumentelles Stressmanagement

Unter diesem Punkt versteht man die Fokussierung auf individuelle Stressoren mit dem Ziel, diese zu identifizieren, analysieren und ihren Einfluss möglichst zu minimieren, um einen stressfreieren Alltag zu erzielen. Inhalte können hier z.B. konkret das eigene Zeit- und Pausenmanagement, Prioritätensetzung, Abgrenzung, Selbstbehauptung und Sach- und Fachkompetenz sein. Auch soziale Kompetenzen und Kommunikationsfähigkeit können hier thematisiert und optimiert werden. Oft sind Klient*innen so in ihren alltäglichen Stressmustern „festgefahren“, dass sie kaum Veränderungsmöglichkeiten sehen. Die Förderung des instrumentellen Stressmanagements soll dazu beitragen, individuelle Stellschrauben zu erkennen und Routinen aufzubrechen, um Stress zu reduzieren. Haben Sie sich zum Beispiel schon einmal einen Wochenplan gemacht und abgeglichen, wann Ihnen im Alltag eigentlich Zeit bleibt, um Freizeitaktivitäten nachzugehen? Oft kann im Rahmen des instrumentellen Stressmanagements die Analyse der zeitlichen Ressourcen helfen, um „Zeitdiebe“ zu identifizieren und Raum zur persönlichen Entfaltung zu schaffen.

  • Mentales Stressmangement

Beim mentalen Stressmanagement werden stressverstärkende Denkmuster, Einstellungen und Wahrnehmungsaspekte reflektiert und hinterfragt. Hier kann beispielsweise die Rolle von Erwartungen, auf die Stresswahrnehmung einwirkende Glaubenssätze und die Akzeptanz von schwer veränderbaren Stressoren tiefergehend thematisiert werden. Oft sind zum Beispiel perfektionistische Ansprüche an sich selbst vorhanden oder eine katastrophisierende Denkweise verschlimmert die Stressoren zusätzlich. Ein Gespräch mit dem „inneren Kritiker“ kann darüber hinaus die Einstellungen zu sich selbst verdeutlichen und dazu beitragen, dass wir statt Selbstzweifeln und sozialen Vergleichen einen verständnisvolleren und achtsameren Umgang mit uns selbst finden können. Wenn wir uns klarer über unsere Werte und Ziele im Leben werden, können wir oft auch über Sinngebung große Veränderungen in der Stresswahrnehmung erzielen. Darüber hinaus helfen bereits kleine mentale Übungen wie achtsames Atmen, Genuss- und Imaginationsübungen, stressvolle Situationen besser zu meistern und die eigenen Denkmuster in eine positivere Richtung zu lenken.

  • Regeneratives Stressmanagement

Während Arbeit und Effizienzsteigerung in unserer Gesellschaft einen großen Raum einnehmen, wird dem Thema Erholung ein verschwindend kleiner Rahmen zugestanden. Dabei ist Erholung sehr viel mehr als Nichts-Tun und kann auf vielerlei Arten optimiert werden, um zur psychischen Gesundheit und langfristigen Produktivität beizutragen .Im Gegensatz zu den vorherigen beiden Ansätzen geht es beim regenerativen Stressmanagement daher um die Regeneration vom Stress. Ziel dieser Form des Stressmanagement ist es, eine Erholungskompetenz zu erlangen, die einen Ausgleich zu den vorhandenen Stressoren schaffen kann. Dazu zählt z.B. einen erholsamen Alltag aktiv zu gestalten und psychische sowie körperliche Ressourcen bestmöglich zu aktivieren. Neben der Regeneration kann dann langfristig auch eine Form der Resilienz gegen Stress, also eine Art „Puffer“ geschaffen werden. Spezifische Themengebiete sind hierbei oft Entspannen und Loslassen, Bewegung und Ernährung, sowie Genuss und konstruktive Freizeitgestaltung.

Einige Komponenten haben die drei genannten Arten des Stressmanagements gemeinsam: Sie setzen daran an, sich selbst besser kennenzulernen und kritisch zu reflektieren, was man selbst dazu beitragen kann, Stressoren und die auf sie folgende Stressreaktion, einzudämmen. So können Prozesse zur Selbstfürsorge und einer erhöhten psychologischen Flexibilität angestoßen werden, die nicht nur präventiv gegen chronischen Stress und Burnout wirken, sondern auch zum allgemeinen Wohlbefinden und zur Resilienz gegen (psychische) Beschwerden beitragen.

Interventionen zum Stressmanagement können laut empirischen Befunden signifikant zum besseren Umgang mit Stress beitragen (siehe z.B. Stoffel et al., 2019; Van der Klinik et al., 2001; Richardson & Rothstein, 2008) und Burnoutpräventionen können nachweislich das Risiko eines Burnouts verringern (Maricuţoiu et al., 2016). Jedoch variieren die nachweisbaren Effekte von Programm zu Programm stark (für eine Übersicht der evaluierten deutschen Präventionsprogramme siehe Kaluza, 2006). Es ist dennoch stets empfehlenswert, sich mit dem eigenen Stressverhalten auseinanderzusetzen und regelmäßig zu evaluieren, ob die aktuellen Bewältigungsstrategien langfristig konstruktiv sind.

Sollten Sie Interesse daran haben, sich weiterführend mit den Themen Stress und Stressmanagement auseinanderzusetzen, die eigenen Stresskompetenzen zu erweitern oder mehr über den Einfluss des Wandels der Arbeitswelt auf Stress und die Gesellschaft zu erfahren, legen wir Ihnen auch unsere Artikel „Stress verstehen: Eine psychologische Perspektive auf das Alltagsphänomen“ und „Wenn Stress krank macht: Das Burnout-Syndrom und wie wir mit Stress konstruktiv umgehen können“ ans Herz. Besonders freuen wir uns natürlich auch über eine Anmeldung zu unseren Workshops und Seminaren zu Burnoutprävention und Stressmanagement.

Quellen:

Berger M., Linden, M., Schramm, E. et al. (2012) Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) zum Thema Burnout. Berlin: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde

Hapke, U., Maske, U. E., Scheidt-Nave, C., Bode, L., Schlack, R., & Busch, M. A. (2013). Chronischer Stress bei Erwachsenen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz56(5-6), 749-754.

Kaluza, G. (1996). Gelassen und sicher im Stress (2. Aufl.). Heidelberg: Springer.

Kaluza, G. (2006). Psychologische Gesundheitsförderung und Prävention im Erwachsenenalter: eine Sammlung empirisch evaluierter Interventionsprogramme. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie14(4), 171-196.

Kaschka, W.P., Korczak, D., Broich, K.(2011). Burnout—a fashionable diagnosis. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(46): 781–7. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0781 

Kyrou, I., Chrousos, G. P., & Tsigos, C. (2006). Stress, visceral obesity, and metabolic complications. Annals of the New York Academy of Sciences1083(1), 77-110.

Maricuţoiu, L. P., Sava, F. A., & Butta, O. (2016). The effectiveness of controlled interventions on employees’ burnout: A meta-analysis. Journal of Occupational & Organizational Psychology, 89(1), 1–27.

Maslach C, Schaufeli WB, Leiter MP (2001) Job Burnout. Annu Rev Psychol 52:397–422.

Mommersteeg, P. M., Heijnen, C. J., Kavelaars, A., & Van Doornen, L. J. (2006). Immune and endocrine function in burnout syndrome. Psychosomatic medicine68(6), 879-886.

Richardson K.M., Rothstein H.R. (2008) Effects of occupationalstress management intervention programs: a meta-analysis. J Occup Health Psychol 13:69–93

rme/aerzteblatt.de (2011). Burnout von Pflegekräften ein internationales Problem. Verfügbar unter: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/49593 (08.02.2016, 10:38 Uhr)

Scheuch, K., & Vogel, H. (1993). Prävalenz von Befunden in ausgewählten Diagnosegruppen bei Lehrern. Sozial-und Präventivmedizin/Social and Preventive Medicine38(1), 20-25.

Schwarzer, R., & Hallum, S. (2008). Perceived teacher self-efficacy as a predictor of job stress and burnout: Mediation analyses. Applied Psychology, 57, 152-171. doi:10.1111/j.1464-0597.2008.00359.x

Stoffel M, Aguilar-Raab C, Rahn S, Steinhilber B, Witt SH, Alexander N, et al. Effects of Mindfulness-Based Stress Prevention on Serotonin Transporter Gene Methylation. Psychother Psychosom. 2019;88(5):317–9.

Strike, P. C., & Steptoe, A. (2004). Psychosocial factors in the development of coronary artery disease. Progress in cardiovascular diseases46(4), 337-347.

Techniker Krankenkasse. Entspann dich, Deutschland! TK-Stressstudie. Hamburg: Techniker Krankenkasse, 2016. Print.

Van der Klink, J. J., Blonk, R. W., Schene, A. H., & Van Dijk, F. J. (2001). The benefits of interventions for work-related stress. American journal of public health91(2), 270.

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World Health Organization. (1992). The ICD-10 classification of mental and behavioural disorders: Clinical descriptions and diagnostic guidelines. Geneva: World Health Organization.

Wurm, W., Vogel, K., Holl, A., Ebner, C., Bayer, D., Morkl, S., . . . Hofmann, P. (2016). Depression